Siegfried Albrecht

gelbes-abstraktes-bild-dreht-sich-im-kreis

„Gelber Vogel, Iconic Turnaround“, fluoreszierende Farbe und Alkyd, 150 x 150 cm.

Währende der Drehung verändern sich die Richtungsqualitäten der Formkanten in Beziehung zur ordnenden Gravitationsrichtung.
Im Falle des „gelben Vogels“ kommt die Farbe hinzu, die die Bildoberfläche sukzessiv violett überflutet, ein Phänomen, das – wie Farbe überhaupt - ganz im Kopf des Betrachters entsteht.

Empirische Ästhetik


iconic turnarounds

– Interaction of Form –
Fragmente von Bildschichten in Übermalung


Die Kompositionen auf quadratischen Formaten sind auf Allansichtigkeit hin angelegt. Während der Drehung verändern sich die Richtungsqualitäten der Formkanten in Beziehung zur ordnenden Gravitationsrichtung. Das Aufmerksamkeitszentrum des Betrachters verlagert sich. Die den Bildraum beherrschende Schwerkraft lässt diesen asymmetrisch erscheinen, was noch durch die Leserichtung unterstützt wird.

So werden dieselben Formen je nach ihrer Lage im visuellen Feld unterschiedlich gewertet. Während der Rotation des Bildes durchwandern die Formteile die verschiedenen Bereiche des
Sehfeldes: in der Anschauung des Betrachters finden Umorganisationen der Komposition statt.

Da die Bildanordnung konstant bleibt, kann die Dynamik des aktiv ordnenden visuellen Systems bewusst erlebt werden. Als weiterer aktiv ordnender Parameter tritt im Falle des „gelben Vogels“ – siehe oben– die Farbe hinzu, die die Bildoberfläche sukzessiv violett überflutet, ein Phänomen, das – wie Farbe überhaupt - ganz im Kopf des Betrachters entsteht.


↓ gewünschtes Bild berühren  ↓

roundabout-schwarzweiss
roundabout-schwarz-weiss4
roundabout-schwarzweiss-2
roundabout-schwarz-weiss-mixed
roundabout-gelb
roundabout-gelb

Turnarounds, schwarz-weiß: Ölfarbe, 80 cm x 80 cm
Turnaround, farbig: 150 cm x 150 cm, Alkyd


art + brainwork

Konflikt, Erregung, Neugier


„Menschliches Suchverhalten
umfasst viele schöpferische Tätigkeiten, darunter Wissenschaft und Kunst.“

Daniel Ellis Berlyne

*1924 -†1976. Er war britisch-kanadischer Psychologe. Mit seinen Forschungen über Neugier und Erregung gilt er als einer der Pioniere auf dem Gebiet der Experimentellen Ästhetik.

blick auf die arbeiten der kuenstlergruppe art and brainwork

Blick in die Ausstellung „art+brainwork” Fotografie: Boris Miklautsch


Plastische und grafische Arbeiten der Künstlergruppe art + brainwork:
Siegfried Albrecht, Nikolaus Cinetto, Uli Gsell, Thomas Schuster.


Manifest


Die Ausstellung der Künstlergruppe art + brainwork richtet den Blick über den Horizont akademischer Ästhetik und Kunsttheorie hinaus auf die Erkenntnisse moderner Forschung zur visuellen Kognition als Grundlage einer empirischen Ästhetik. Dabei rekurrieren die vier Künstler auf den aktuellen Kenntnisstand der Wahrnehmungs- und Neurowissenschaften und die möglichen Konsequenzen für die Kunstdebatte. Kunst und Wissenschaft teilen insbesondere in den Anfängen ihres Arbeitens zahlreiche Schnittmengen.

Gemeinsam ist beiden das forschende Auge, genaue Beobachtung, spielerisch neu kombinierendes Erkunden von Gegenstand und Fragestellung mit Fantasie und Intuition hin zur Invention und Innovation. Wenngleich sich die Wege in der Zielgerade deutlich unterscheiden in empirisch überprüfbare Aussagen zu Gesetzmäßigkeiten einerseits und emotionalem subjektivem Erleben andererseits, entspringen doch beide derselben Kreativität des Gehirns.


„All art is brainwork, … cognition by vision“.

Semir Zeki*

*Semir Zeki, Professor für Neurobiologie am UCL, University College London, seit 2008 Professor für Neuroästhetik.
Inner Vision: an exploration of art and brain, Oxford, 1999

Worin liegt nun aber der Sexappeal der Neurowissenschaften für die Kunst?

Es ist die Zuwendung vonseiten der Naturwissenschaft, wodurch sie mehrfach gebrochen in neuem Licht erscheint. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse um die Zusammenhänge visueller Wahrnehmung, Erleben und Kognition werden zum Grundlagenwissen für viele gestalterische Disziplinen unserer visuellen Kultur. Von tiefgreifender Bedeutung ist der Paradigmenwechsel vom passiven zum aktiven Sehen und die Überwindung des Dualismus durch die Neurobiologie.

Geistige Zustände sind nicht substanzlos immateriell, sie sind physiologische Zustände. So resultiert auch das visuelle Erkennen aus der aktiven Verarbeitung von Lichtwerten von den Oberflächen der Umwelt, aus Kontrasten, Texturen, Kanten und Richtungsinformationen der Lagebeziehungen von Oberflächen durch das visuelle System, auch als Grundlage für weitere höhere Verarbeitung.

Schließlich kommt die Auseinandersetzung mit den Neurowissenschaften für die Künstler einem Befreiungsschlag aus der Vereinnahmung kunstphilosophischer Spekulation gleich. Das platonische Konzept des substanzlos Geistigen, von dem die Kunst der Moderne durchzogen ist, wird wohl an Strahlkraft verlieren, denn wer sich künftig dem Geistigen in der Kunst annähern will, muss nicht zwangsweise den Tugendpfad visuellen Lustverzichts, der Entsagung alles Körperlichen gehen. „Die Körperlichkeit geistiger Tätigkeit“ (E.Pöppel) kann in sinnlich anschaulichem Betrachten, Erkennen und Lernen, begleitet von emotionaler Intelligenz, lustvoll erlebt werden, denn der ästhetische Genuss ist die zerebrale Belohnung des Erkennens.

Die Arbeiten der Künstlergruppe art + brainwork thematisieren mit eigens für den Ausstellungsraum im Kunstbezirk erarbeiteten Installationen, Objekten und Bildern das aktive Sehen des forschenden Auges. Dabei wird mit explorierender Neugier eines kreativ mitarbeitenden Betrachters gerechnet, der die teils offenen Strukturen der Exponate im Geiste ergänzt, komplettiert und so das aktive Sehen bewusst erleben kann.

Mit dieser Ausstellung erwidert die Künstlergruppe art + brainwork die Liebe der Neurowissenschaften zur Kunst.
So laden wir die Besucher ein, mit explorierender Neugier die teils offenen Strukturen der Skulpturen und Grafiken weiterzudenken und so das aktive Sehen bewusst zu erleben, das Sehen sehen.

die kuenstlergruppe baut das gemeinsame Objekt die box oblique auf

©Fotografie: Boris Miklautsch

Die Künstlergruppe art+brainwork beim Aufbau des gemeinsamen Objektes „Box Oblique“.
Von rechts nach Links: Thomas Schuster, Siegfried Albrecht, Uli Gsell, Nikolaus Cinetto.
Kunstbezirk, Galerie im Gustav-Siegle-Haus Stuttgart vom 12. April bis 1. Juni 2013

 Box Oblique

Installation zur  bewussten Wahrnehmung „aktiven Sehens“


Die Ausstellung wird durch ein schräg stehendes Hausobjekt betreten. Hier geraten die Balance des Betrachters und die Raumrichtung des Hausobjektes in Konflikt.

Unsere Erfahrung sagt uns, dass Räume senkrecht ausgerichtet sind. Im Konflikt zwischen Raum- und Körperrichtung entscheidet sich das Wahrnehmungssystem für die größere Masse des umgebenden Innenraums und rückt dessen schief stehende Wände im visuellen Erleben gerade.

Dabei nimmt sie die im Raum stehenden Personen mit, die dann in surreal schräger Stellung diesen Raum durchschreiten. Der aktive Konstruktionscharakter des Sehens wird erlebbar. Bei längerem Aufenthalt stellt sich Schwindelgefühl ein.

 So sensibilisiert erkundet der Betrachter die Objekte der Ausstellung.  

das schraege raumobjekt von außen

die Box Oblique von außen. ©Fotografie: Boris Miklautsch

Dr. Stefan Borchardt, Kunstgeschichte und Prof. Andreas Bartels, Neurobiologie, Universität Tübingen
eröffneten unsere Ausstellung.

Der Blick aus der „Box Oblique“ auf die 5-teilige Stahlskulptur von Siegfried Albrecht. Fotografie: Boris Miklautsch

 Formwolke

figürlicher Raum
Fünfteilige Stahlskulptur


Fotografie: Boris Miklautsch
  • …ein orthogonales und ein rundes in gegenseitiger Durchdringung. Die Plastiken sind Fragmente von größer zu denkenden Behälterformen, die gestalthafte Luftvolumina induzieren.

    Behälterformen und Behältnis teilen sich eine gemeinsame Grenze in den Negativformen der Stahlplastiken. Je nachdem, worauf ein Betrachter seine Aufmerksamkeit richtet, tritt das eine oder andere hervor oder zurück. Es findet eine gestalthafte Kippung zwischen Behälter- und Kernform in der dritten Dimension statt. Besitzen die Stahlplastiken materielle Realität, so werden den virtuell erlebten Innenraumformen alle Gestaltkriterien zugeschlagen, größere Einfachheit, Geschlossenheit versus Umschlossenheit und dominant Konvexes gegenüber dem Konkaven.

    Die Betrachter nähern sich dem Feld zunächst von außen und erleben es so als Bildraum einer plastischen Inszenierung. Im Umschreiten entstehen Bilderfolgen gegenseitiger Überschneidung.

    In seiner offenen Struktur lädt das Environment allerdings zuerst dazu ein, betreten zu werden, darin einzutauchen. Der/die Explorierende wird hier selbst ein Teil der Anordnung. Je nach Wahl einer Betrachtungsbahn erschließen sich eine Fülle bildräumlicher Konfigurationen, Relationen in reversiblen Verdeckungen, bis hin zur Betrachtung der Einzelplastiken.

    So können bei der Erkundung des „plastischen Assemblies“ die Gestaltfaktoren des aktiven Sehens bewusst als visuelle Kräfte erlebt werden.

Entwürfe zum Skulpturenfeld „Formwolke“